Die Stadtverwaltung Tübingen publizierte am 30.03.21 einen Zwischenbericht zum Modellprojekt “Öffnen mit Sicherheit” in dem folgende Textpassage zu finden ist: “Am Sonntag, 29. März, waren viele auswärtige Gäste im Stadtzentrum, darunter viele relativ junge Menschen und Männergruppen mit Migrationshintergrund, die keine Bereitschaft zeigten, die Masken-und Abstandsregeln zu beachten.”. Am gleichen Tag erschien im Tagblatt folgendes schriftliches Zitat der Stadt: „Nach übereinstimmenden Berichten wurden die Tickets vor allem in landsmannschaftlich verbundenen Kreisen verteilt“ im Bezug auf die Verteilung von Tagestickets ohne vorherigen Test bei einem Friseursalon.
Solche Aussagen sind Ausdruck tief sitzender rassistischer Denkmuster. Die Worte “Migrationshintergrund” und “landsmannschaftlich” haben in erster Linie nichts in einem offiziellen Bericht zu suchen und bieten uns Leser*innen keinen Mehrwert an Information. Wenn eine Person was falsches macht, ist es egal wie sie aussieht, es geht um das Fehlverhalten. Zweitens wird hier eindeutig mit zweierlei Maß gemessen, denn hätte es sich um weiße Bürger*innen gehandelt, ohne die Spekulation über einen vermeintlichen Migrationshintergrund, würde sehr wahrscheinlich auch nicht über “landsmannschaftlich” geschrieben, sondern von Freundes-/Bekanntenkreis (die Information ist dazu noch komplett unwichtig). Drittens wird hier eindeutig das Vorurteil der bösen kriminellen Person of color verwendet, die Schuld an aktuellen Missständen ist. Ein sehr gefährliches Vorurteil für die Betroffenen, die in unserer Gesellschaft ohnehin schon diskriminiert werden und durch solche offziellen Statements umso mehr Diskriminierung und Anfeindungen jeglicher Art ausgesetzt werden.
Gerade in Bezug auf diskriminierte Minderheiten sollte jede Aussage auf ihren Informations- und Wahrheitsgehalt überprüft werden. In diesem Fall beruhen die Aussagen auf subjektiver Wahrnehmung, Vorurteilen über Hautfarbe und Herkunft und einer Art “racial profiling”.
Die Aufgabe der Stadtverwaltung und von Oberbürgermeister*innen ist das Schaffen einer lebenswerten Stadt für alle Menschen und nicht die Verbreitung von Vorurteile und das Schüren von mehr Diskriminierung und Anfeindung von Minderheiten.
Von: Dr. med. Sara Cristina da Piedade Gomes