Rede Straßenbenennung

Eine Straßenbenennung ist eine explizite Ehre für eine Person. So ist es bei der Benennung gedacht und es bleibt bis heute eine ausdrückliche Ehrerweisung, die nur sehr wenigen Personen zuteilwird. Damals wie heute.

Vor 3 Jahren hat unsere Fraktion den Antrag gestellt, zu prüfen, ob die folgenden drei Personen würdig sind, in Tübingen mit Straßennamen geehrt zu werden: Eduard Haber, Eduard Spranger, Wilhelm Schussen. 3 Jahre später liegen uns nun die Ergebnisse dieser Prüfung vor. Unsere Vermutung hat sich leider bestätigt, dass sie es nicht sind.

Ich plädiere daher für die rasche Umsetzung von Umbenennung aller Straßennamen, die Menschen ehren, die großes Leid angetan haben, mitverursacht oder unterstützt/gutgeheißen haben.

Es geht um Gefühle und Existenz der Menschen in Tübingen, die noch heute unter den Folgen von Rassismus, der Kolonialisierung und des Nationalsozialismus leiden, es geht um das klare Zeichen, dass Tübingen eben keinen „kolonialen Willen“ hat und dass Tübingen keine Rassist*innen/Antisemitin*innen/Kolonialist*innen ehrt. Der bürokratische Aufwand für die Anwohner*innen ist da ein überschaubarer Preis. Es sollte außerdem im Interesse aller Anwohner*innen der Straße sein, endlich nicht mehr den Namen eines kolonialen Nazis auf ihrem Adressbogen zu haben und Tübingen sollte froh sein, ein*e Verbrecher*in weniger zu ehren.

Der Integrationsrat beziehungsweise Personen, die noch heute unter den Folgen von Rassismus, der Kolonialisierung und des Nationalsozialismus leiden, sollen eine großere Stimme in diesem Prozess erhalten und zu jeder Straßenbenennung und Umbenennung stärker miteinbezogen werden.

Durch die Umbenennung der Straße zu Ehren von Opfer von rassistischemotivierte Mord (wir im Fall von Kiomars Javadi Mord) oder Wiederstandkämpfer*innen gegen dessen Ideologien bei gleichzeitiger Aberkennung dieser gegenüber, zum Beispiel einem Befürworter des Nationalsozialismus, setzt Tübingen ein klares Zeichen gegen rassistisch motivierte Gewalt. Außerdem geht Tübingen dadurch einen weiteren Schritt in die Richtung, gesellschaftliche Ehrungen nicht mehr den Täter*innen, Mitläufer*innen und passiven Unterstützer*innen, sondern den Opfern und Widerstandskämpfer*innen des Nationalsozialismus zukommen zu lassen, ohne die Geschichte zu vergessen. Warum sollten Nazis auf der Höhe geehrt werden, während Jüdinnen:Jüden nur auf dem Boden erinnert werden. Die alten Namen sollen meiner Meinung nach da bleiben, durchgestrichen und mit einer Erklärung warum sie durchgestrichen wurden, sodass alle daran lernen können.

Wir denken nicht, dass alle Straßen mit Namen von Personen mit einem Bezug zu Tübingen benannt werden sollen. Das war noch nie so und wir sehen keinen guten Grund dafür, warum dies eingeführt werden soll. Das heißt natürlich auch nicht, dass keine Straßen nach Personen mit lokalen Bezug benannt werden sollen, dies soll natürlich gemacht werden.

Eigentlich sind alle diese Ideen im Antrag alt und selbstverständlich. Antirassismus und Antifaschismus ist etwas, dem wir uns alle verpflichtet fühlen sollten. Die eigenen Position in bestehenden Machtverhältnissen bewusst zu sein, diese kritisch zu hinterfragen und sich letztendlich dafür zu entscheiden, die Privilegien so zu nutzen, dass sie auch anderen zugutekommen. Sowie viele Menschen außerhalb dieses Gemeinderat haben das verstanden und ich freue mich auf jede weitere Person im Saal, die das auch verstehen und heute in der Abstimmung umsetzen wird.

Antrag: