Die FRAKTION – PARTEI, DiB, Huhn
David Hildner, Dr. med. Sara Cristina da Piedade Gomes,
Samantha Hilsdorf
Newsletter Oktober 2021
Rahmenplanentwurf soziale Stadt Waldhäuser-Ost
Waldhäuser-Ost ist ohne Frage und völlig unironisch der coolste Stadtteil Tübingens. Und ein Stadtteil, an dem man einiges noch besser machen kann: bessere, barrierefreie Wege für Fußgänger:innen, Radwege und Plätze für Aufenthalt und Begegnungen.
Der Stadtteil wurde in der Mitte des letzten Jahrhunderts im Geist des letzten Jahrhunderts geplant und erbaut. Das heißt, vor allem wurde er „autogerecht“ gebaut. Mitten durch den Ort zieht sich der monströse Berliner Ring, eine Straße so breit, dass man Häuser darauf bauen könnte und immer noch genug Platz für eine Spur Autos wäre. Die Fußwege zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie nie dort starten wo man ist und nie dort Enden wo man hin will. Das alles nur, damit man, dem Ideal der 50er folgend, so schnell wie möglich aus der Schlafstadt an den Arbeitsplatz und nach der Arbeit wieder in die Tiefgarage kann. Diese Autogerechtigkeit geht vor allem auf Kosten der Menschengerechtigkeit.
Die Flächen, die mit lieblos begrünten Tiefgaragendächern, Parkplätzen und obszönen Straßen zugekleistert sind, eignen sich gut um neuen, dringend benötigten Wohnraum zu schaffen. Wohnraum, der nicht nur in der Stadt sondern auch im Stadtteil benötigt wird. Der Technologiepark gegenüber befindet sich im Wachstum, die Mieten steigen und es werden immer mehr Menschen in den Stadtteil ziehen wollen. Gerade für junge Familien bietet WHO keinen Platz mehr. Am Ende bleibt dann ein Stadtteil, bewohnt von einer Hand voll Studierenden, ein paar Letztwähler:innen und einem haufen überbezahlter Tech-Bros. Dann doch lieber Nachverdichtung.
Das Programm „soziale Stadt WHO“ umfasst nicht nur Bauprojekte und Umstrukturierungen, sondern auch eine soziale Begleitung. Es gibt einen Begleitkreis, der aus Vertreter:innen der Anwohner:innen und einigen Gemeinderäten (die dort nur mitreden, aber nicht mitstimmen dürfen) besteht. Es gab einen städtebaulichen Wettbewerb, dessen Zwischen- und Endergebnisse in Veranstaltungen öffentlich vorgestellt und Diskutiert wurden. Die ganzen Details kann man unter tuebingen.de/who nachlesen.
Und nun, wenn der Entwurf für den Rahmenplan beschlossen werden soll, kommen ein paar wütenden Bürger:innen, spammen Postfächer voll und beschweren sich über die mangelnde Beteiligung. Dass es am Ende weniger Platz für Autos gäbe sei ein Unding, dass neue Häuser gebaut werden sollen auf Parkplätzen und Garagendächern ginge gar nicht, Pflegeheime würden zu viel Lieferverkehr verursachen und die Ruhe im Stadtteil gefährden und mein Favorit: Es wäre schlecht für die Eichhörnchen, wenn im Stadtteil gebaut würde. In dem Stadtteil, der direkt am Wald gebaut ist, geht den Eichhörnchen der letzte Lebensraum verloren. Die Zustände sind dramatisch. Nachverdichtung ist ja gut, aber NOT IN MY BACKYARD
In den Diskussionen zu dem Thema scheint sich abzuzeichnen, dass es politische Spaltung im Stadtteil zwischen dem Westen (normale Leute in Mehrfamilienhäusern) und dem Osten (Einfamilienhäuser mit eigenem Parkplatz) gibt. Die Stadtverwaltung bemüht sich um bessere Information und mehr Dialog, sollte das nicht gelingen haben wir vorsorglich schon eine andere Lösung ins Rennen gebracht: Eine Mauer entlang des östlichen Berliner Rings, die den Stadtteil Waldhäuser-Ost in die neuen Stadtteile Waldhäuser-Ost-Ost und Waldhäuser-Ost-West unterteilt.
Wir sind für das Programm “soziale Stadt WHO”, für den Rahmenplanentwurf, für ein Menschengerechtes WHO – für Brutalismus mit menschlichem Antlitz.
Straßennamen in Tübingen
Alle Straßen in Tübingen haben Namen – Eines von vielen Charakteristika, die sie mit Menschen gemein haben. Nun gibt es allerdings in unserer schönen Stadt ein paar Namen, die nicht ganz unumstritten sind. Für drei besonders schlimme Namen haben wir bereits vor einiger Zeit eine Überprüfung und Umbenennung gefordert: Die Eduard-Spranger-Straße, die Eduard-Haber-Straße, und den Wilhelm-Schussen-Weg. Umbenannt sind diese (noch) nicht, es hat sich jedoch einiges getan. Eine wissenschaftliche Kommission untersucht nun noch mehr kontroverse Straßennamen und stuft diese in drei Kategorien ein, A – Handlungsbedarf, B – Diskussionswürdig, C – Unbedenklich . Auf Basis davon soll folgend das weitere Vorgehen diskutiert werden. Doch wie und mit wem? Soll dies eine reine Gemeinderatsangelegenheit werden, oder kann auch extern diskutiert werden? Wir wollen, dass auch die Gedanken marginalisierter und heute von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit betroffener Menschen in die Bewertung mit einfließen und die Entscheidungen nicht nur von weißen Menschen getroffen werden.
Nationalsozialismus Workshop
In der Mitte des Monats veranstaltete die Stadtverwaltung einen Workshop zum Thema (Nationalsozialismus-)Erinnerungskultur. Hintergrund dazu waren die Forderungen nach der Einrichtung eines Lern- und Dokumentationszentrum zum Nationalsozialismus (LDNS) in der Güterhalle und Güterbahnhof. Allerdings war es ursprünglich geplant, dass großen Teils der Stadtarchivs auch dorthin umzieht und der LDNS galt als sinnvolle Ergänzung zum Archiv. 2019 haben die Untersuchungen des Gebäudes allerdings ergeben, dass der Umbauder Güterhalle aus bautechnischen Gründen nicht möglich sein wird. Daher sieht die Verwaltung es nicht mehr als sinnvoll an, in der Güterhalle ein solches Lernzentrum einzurichten. Daraufhin stellten wir zusammen mit anderen Fraktionen den Antrag, dass die Einrichtung eines solchen Zentrums trotzdem diskutiert werden soll.
Bei dem Workshop haben insgesamt acht Initiativen, die sich in Tübingen mit Erinnerungskultur beschäftigen ihre Arbeit, die Bedarfe und Fragen der Infrastruktur, inhaltlichen Ausrichtungen und mögliche Kooperationen vorgestellt. Dabei kristallisiert sich heraus, dass Tübingen großen Bedarf nach mehr Erinnerungskultur-Angeboten hat. Es zeigt sich auch, dass Erinnerungskultur weiter gedacht werden sollte und dass der alleinige Fokus auf die NS-Zeit nicht genügt. Unserer Ansicht nach sollte siesich außerdem mit aktuelle Folgen von Rassismus, Homophobie, Ableismus und andere Diskriminierungsformen beschäftigen sowie mit Parallelen zu aktuellen politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen. Vorerst wird ein LDNS nicht am Güterbahnhof entstehen, es wird aber eine Untersuchung anderer Räumlichkeiten geben.
Reinigungskräfte der Stadt Tübingen
Werden die Reinigungskräfte in der Stadt Tübingen fair bezahlt? Wir haben bei der Verwaltung nachgefragt: ungefähr die Hälfte der eingesetzten Reinigungskräfte sind bei der Stadt Tübingen angestellt, die andere Hälfte wird von Mitarbeiter*innen von externen Firmen durchgeführt.
Die Mitarbeiter*innen der Stadt werden nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) vergütet und haben dadurch vergleichsweise bessere Arbeitsbedingungen (die Löhne sind trotzdem niedrig und reichen häufig nicht zum leben). In der Fremdreinigung erfolgt die Vergütung nach dem Tarifvertrag des Gebäudereinigerhandwerks (18% bis 70% niedrigerer Lohn als in TVöD und weniger bzw. keine Leistungszulagen). Außerdem wird die Tariftreue formal abgefragt, aber ihre Einhaltung nicht durch die Stadt kontrolliert.
Seit den 70er Jahren wird die Reinigung von öffentlichen Einrichtungen und Kommunen zum Zwecke der Kostensenkung zunehmend an private Reinigungsunternehmen vergeben. Als häufigster Grund für den wirtschaftlichen Vorteil der Vergabe der Gebäudereinigung wird das Vergütungsgefälle zwischen dem öffentlichen Dienst und der Privatwirtschaft genannt, da die Lohnkosten den Hauptteil der Gesamtkosten für die Gebäudereinigung ausmachen. Die Arbeitsbedingungen von Gebäudereiniger*innen haben sich bundesweit durch die finanzielle Notlage der Kommunen und zunehmende Privatisierung verschlechtert: der Wettbewerb wird hauptsächlich über Personalkosten (Arbeitsverdichtung, Tarifunterschreitungen, geringfügige Beschäftigung, Mini Jobs, Zeitarbeit) ausgetragen. In der Innenreinigung arbeiten hauptsächlich geringfügig oder in Teilzeit beschäftigte Frauen/FLINTA, oft Migrantinnen. Die Tätigkeit Putzen gilt – aufgrund der vermeintlichen Nähe zur Haushaltsarbeit – als »klassische« Frauenarbeit, damit einher geht schlechte Bezahlung und geringe Bewertung der Tätigkeit.
Es gibt allerdings gewisse Vorteile der Privatisierung. Sie ist kostengünstiger (hauptsächlich auf Kosten der Bezahlung/Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter*innen) und die Stadt hat höhere Flexibilität und Planungssicherheit, da durch begrenzte Vertragslaufzeiten die Kommune die Reinigungsleistungen zeitnah einem veränderten Bedarf bzw. einer geänderten Haushaltssituation anpassen kann, was in der Eigenreinigung aufgrund des festen Personalbestandes schwieriger ist.
In der Sitzung, in der die Antwort der Stadt auf unserer Frage diskutiert wurde, stellten SPD und Linke einen Antrag auf Erhöhung der Anteil der bei der Stadt Tübingen angestellte Reinigungskräfte (60% und 100% jeweils). Leider haben die Grünen diese Abstimmung verhindert und sie auf die nächste Haushaltsverhandlungen verschoben, so dass wir noch einige Monate warten müssen, bis wir darüber entscheiden können, ob die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Reinigungskräfte in der Stadt Tübingen verbessert werden können. Das finden wir ziemlich ärgerlich, weil wegen der Fraktion AL/Grüne, haben wir schon mal bei der letzte Hausverhandlung nicht darüber entscheiden können.
Offene Fraktionssitzung
Ihr wollt selbst einmal sehen, wie wir unsere Fraktionssitzung gestalten, worüber wir reden oder einfach mal Live dabei sein? Dann kommt in unsere offene Fraktionssitzung, diese findet einmal im Monat statt und jeder der Interesse hat kann teilnehmen. Termine findet ihr auf unserer Website, bei der ihr euch auch gleich anmelden könnt, eine Anmeldung ist wichtig, da wir nicht immer in den gleichen Räumlichkeiten uns treffen. www.fraktion-tuebingen.de
Der nächste Termin für die offene Fraktionssitzung ist am 7. Dezember 2021.
Wir freuen uns auf euch!
Euer
David, Samantha und Sara