• – Paul Schmitthenner (1884–1972), Architekt in Kilchberg
    – Gebhard Müller (1900–1990), Politiker (CDU), MdL (Württemberg-Hohenzollern, Baden-Württemberg), Ministerpräsident (Württemberg-Hohenzollern und Baden-Württemberg), Präsident des Bundesverfassungsgerichts
    -Kurt Georg Kiesinger (1904–1988), Bundeskanzler und Ministerpräsident
    -Theodor Eschenburg (1904–1999), Politikwissenschaftler

werden die Ehrenbürgerschaft der Stadt Tübingen aberkannt.

Begründung:

Wir, gemeinsam mit der SPD Tübingen, haben bereits im Jahr 2023 Mittel im Haushalt für die Erforschung der „Ehrenwürdigkeit“ der Ehrenbürger*innen der Stadt Tübingen bereitgestellt. Dies soll durch eine qualifizierte Kommission erfolgen, ähnlich wie es bereits von uns für problematische Straßennamen beantragt und umgesetzt wurde.

Bisher wurde diese Forschung nicht durchgeführt. Leider war die Verwaltung nicht in der Lage, eine solche Kommission zusammenzustellen und/oder ein Gutachten in Auftrag zu geben. Deshalb haben wir die Recherche eigenständig durchgeführt. Die Liste ist sicherlich nicht vollständig, da wir nur Zugriff auf eindeutig belegtes und veröffentlichtes Material im Internet haben. Es ist anzunehmen, dass es weitere Rassist*innen und Nationalsozialist*innen unter den Ehrenbürger*innen von Tübingen gibt.

Nach heutigen moralischen Maßstäben, die auch weithin von der damaligen Gesellschaft akzeptiert wurden, halten wir die genannten Personen für nicht würdig, die höchste Auszeichnung der Stadt Tübingen zu erhalten. Durch die Aberkennung der „Ehre“ von Verbrecher*innen, Opportunist*innen sowie Mitläufer*innen während der NS-Zeit und anderer rassistischer Regime und Ideologien setzt die Stadt Tübingen ein starkes Zeichen gegen diese Ideologien. Gleichzeitig sollen Widerstandskämpfer*innen gegen dieselben Regime und Ideologien geehrt werden.

Paul Schmitthenner: 1931 begann Schmitthenner, mit dem „Kampfbund für deutsche Kultur“ (KfdK), einer Organisation der NSDAP, zu kooperieren und für ihn öffentlich aufzutreten, im Juli 1932 war er Mitunterzeichner des Manifests „Deutsche Geisteswelt für den Nationalsozialismus“, und im März 1933 trat er der NSDAP bei. Im selben Jahr wurde er zum „Reichsfachleiter für bildende Kunst“ im KfdK ernannt, lehnte aber einen Ruf an die TH Charlottenburg ab. Regional bekannt ist vor allem die maßgeblich von ihm im Heimatschutzstil konzipierte Kochenhofsiedlung, deren früheste Planungen bis in das Jahr 1927 zurückreichen und die 1933 in Stuttgart als Gegenmodell zur Weißenhofsiedlung errichtet wurde – Vertreter des Heimatschutzstils und vor allem der KfdK lehnten das Flachdach als „undeutsch“ ab. 1932 schrieb Schmitthenner: „Die Merkmale deutscher Baukunst sind entscheidend im deutschen Volkstum begründet, dessen Wesen wiederum bedingt ist durch das Stück Erde, mit dem es schicksalhaft verbunden, das die Wiege seiner Geschichte und Art ist. In der deutschen Baukunst offenbart sich dieses Wesen am sinnfälligsten in der Tradition.“ Voigt zufolge sei er in der Folgezeit in Gegnerschaft zu monumentalen Nazi-Baukonzepten geraten, insbesondere zur Umgestaltung Berlins („Germania“) und verschiedener im Kriege zerstörter Städte, während Nerdinger meint, er habe lieber in Stuttgart, dem Ort, wo er als Professor lehrte, bleiben wollen, und: „Dass Schmitthenner für ein sanftes, ‚unscheinbares‘ Bauen im Sinne Adalbert Stifters plädierte, mag eine Divergenz zu den monumentalen Planungen insbesondere von Speer ausgedrückt haben, aber auch diese Haltung hat nicht das Geringste mit einer Distanzierung vom Nationalsozialismus zu tun, im Gegenteil, er wollte nur der rassistischen Bewegung, der er bis zu deren Ende 1945 als Parteimitglied angehörte, eine andere Richtung zu einem stärker mit den Wurzeln des ‚Volkstums‘ verbundenen Bauen geben. Er trug eine Alternative, aber doch keineswegs eine Gegenposition zum NS-Bauen vor.“

Quelle: https://www.ns-akteure-in-tuebingen.de/biografien/partei/paul-schmitthenner

Gebhard Müller: Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten arbeitete er, 1939/40 und 1944/45 durch Kriegsdienst unterbrochen, als Amtsrichter und Landgerichtsrat in Waiblingen, Göppingen und Stuttgart. Er wurde Mitglied im Bund Nationalsozialistischer Deutscher Juristen (BNSDJ) und in der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV) und war Förderndes Mitglied der SS, widersetzte sich aber auch einzelnen Maßnahmen des NS-Staates und der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP).

Quelle: https://stadtlexikon.karlsruhe.de/index.php/De:Lexikon:bio-0070

Kiesinger trat zum 1. Mai 1933 in die NSDAP ein (Mitgliedsnummer 2.633.930). Er trat auch in das NSKK ein. Zu seinen Beweggründen für den Beitritt äußerte Kiesinger sich später verschiedentlich. In seinen Memoiren behauptet er, er habe Exzesse verhüten wollen, und sei in die NSDAP eingetreten, um ihre Ideologie zu verändern. Er behauptete dort auch, dass sein Motiv am Anfang gewesen sei, der antisemitischen „Rassenpropaganda entgegenzuwirken“. Sein Biograph Gassert erachtet das als unglaubwürdig.

Die deutsch-französische Journalistin Beate Klarsfeld zeigte Kiesingers enge Verbindungen zu Ribbentrop und Joseph Goebbels, dem Chef des nationalsozialistischen Propagandaministeriums, auf. Sie behauptete außerdem, Kiesinger sei maßgeblich für die Inhalte der deutschen Auslandssendungen verantwortlich gewesen, zu denen auch Antisemitismus und Kriegspropaganda gehörten, und habe eng mit den SS-Funktionären Gerhard Rühle und Franz Alfred Six zusammengearbeitet. Letzterer war für Massenmorde im von den Nazis besetzten Osteuropa verantwortlich und wurde im Nürnberger Einsatzgruppenprozess als Kriegsverbrecher angeklagt. Auch nach Bekanntwerden der Judenvernichtung hatte Kiesinger weiterhin antisemitische Propaganda betrieben. Diese Behauptungen stützten sich unter anderem auf Dokumente, die Albert Norden über die Täter von Kriegs- und NS-Verbrechen veröffentlichte.

Einer seiner Tiefpunkte als Bundeskanzler war 1968, als die Nazi-Jägerin Beate Klarsfeld, die mit ihrem Mann Serge Klarsfeld gegen Nazi-Verbrecher kämpfte, ihm während des Christdemokraten-Parteitags 1968 öffentlich eine Ohrfeige gab und ihn einen Nazi nannte. Sie tat dies auf Französisch und wiederholte – während sie von zwei Platzanweisern aus dem Raum gezerrt wurde – ihre Worte auf Deutsch: „Kiesinger! Nazi! Abtreten!“ („Kiesinger! Nazi! Treten Sie zurück!“) Kiesinger, der sich die linke Wange hielt, antwortete nicht. Bis zu seinem Tod weigerte er sich, sich zu dem Vorfall zu äußern, und bei anderen Gelegenheiten bestritt er ausdrücklich, dass er opportunistisch gewesen sei, als er 1933 der NSDAP beigetreten sei (obwohl er zugab, in das deutsche Außenministerium eingetreten zu sein, um seiner Einberufung durch die Wehrmacht im Jahr 1940 zu entgehen). Weitere prominente Kritiker waren die Schriftsteller Heinrich Böll und Günter Grass. (1966 hatte Grass Kiesinger in einem offenen Brief aufgefordert, die Kanzlerschaft nicht anzunehmen). Im Jahr 2006, 40 Jahre später, gestand Grass in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung seine Mitgliedschaft in der Waffen-SS, was zu einer Kontroverse wurde.

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Kurt_Georg_Kiesinger

Am 30. Juni 1933 trat Eschenburg der Schutzstaffel der NSDAP (SS) als Anwärter bei und wurde am 6. März 1934 SS-Mann. Das begründete er in seinen Lebenserinnerungen selbstkritisch mit seinem damaligen Opportunismus. Dass er, wie er auch schrieb, bereits drei Monate später wieder austrat, fand sich nicht in seiner SS-Stammrolle, die später die Politologin Hannah Bethke untersuchte. Michael Naumann hält diese Angabe Eschenburgs für unglaubwürdig.

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Theodor_Eschenburg