Unterbringung von Wohnunglosen – Fragestunde 28.01.2021, Fragen StRin Gomes mit Antworten

Nach bisherigen Erfahrungen trifft die Corona-Pandemie Menschen mit geringen oder ohne Ressourcen – Geld, Wohnraum, soziale Netzwerke – besonders schwer. Des Weiteren gehören viele von Wohnungslosigkeit betroffene Personen durch Vorerkrankungen oder durch das Leben auf der
Straße zur Risikogruppe. Letzteres bedingt oft eine unzulängliche Ernährung und Körperhygiene, chronischen Stress, sowie nicht auskurierte Krankheiten oder Suchtkrankheiten. In dem Wohnprojekt
Schellingstrasse übernachten jedoch regelmäßig wohnungslose Menschen, die die bestehenden Angebote der Kommune nicht wahrnehmen wollen oder wahrnehmen können.
Laut unseren Informationen gibt es in der Männer-Notübernachtung in der Eberhardstraße 53 nur von 18 bis 22 Uhr die Möglichkeit aufgenommen zu werden. Durch die Ausgangssperre wird diese Zeit auf die zwei Stunden zwischen 18 und 20 Uhr verkürzt. Trotz der Ausgangssperre wollen viele Wohnungslose als erwachsene Menschen noch nicht um 20 Uhr zu Bett gehen. Auch für Menschen mit unsicherem/ohne Aufenthaltsstatus oder mit Hunden sind Notübernachtungen kaum eine reale Option. Barrierefrei sind die Räumlichkeiten der Notübernachtung auch nicht. Allgemein haben Notübernachtungen bei vielen von Wohnungslosigkeit betroffenen Menschen keinen guten Ruf. Abschreckend sind die Unterbringung in Mehrbettzimmern und dadurch fehlende Privatsphäre, der Zwang, die Räume tagsüber zu verlassen und allgemein eine begrenzte Aufenthaltsdauer für diejenigen, die sich nicht der anstrengenden Prozedur der Re-Integration (Therapie, Arbeitsamt, etc.) unterwerfen wollen oder können, z.B. auf Grund einer Suchtmittelabhängigkeit. Die Angst vor einer
Ansteckung mag eine zusätzliche Rolle spielen. So ist die Notübernachtung nur für einen Teil der von Wohnungslosigkeit betroffenen Personen eine reale Option.

  1. Wie kamen Sie im April 2020 zu dem Schluss, dass eine Unterbringung in Leerstand, Ferienwohnungen oder Hotels, in denen die notwendigen Hygienestandards und die geltenden Auflagen eingehalten werden können, nicht von Wohnungslosigkeit betroffenen
    Menschen angeboten werden kann? Und warum kann dies aus der Sicht der Verwaltung in Städten wie Düsseldorf realisiert werden?

    Antwort der Verwaltung:
    Wohnunglose Menschen werden entweder in der Notübernachtung oder Im Aufnahmehaus oder Männerwohnheim oder in städtisch angemieteten Unterkünften untergebracht und zwar in Einzelzimmern. Der Dornahof als Träger der Wohnungslosenhilfe hat ein sorgfältiges Hygienekonzept
    für seine Einrichtungen und Angebote. Um auch in der Notübernachtung Einzelzimmer zu ermöglichen, hat die Stadt eine zusätzliche Wohnung angemietet. Sollte vom Träger der Wohnungslosenhilfe (Dornahof) ein Signal kommen, dass die Kapazitäten nicht ausreichen, werden
    wir nach Lösungen suchen. Es gibt, auch auf Rückfrage, keine Bedarfs- oder Problemanzeige, die es erfordern würde, Hotelzimmer oder Ferienwohnungen anzumieten. Darüber hinaus benötigen viele
    Wohnungslose nicht nur ein Dach über dem Kopf, sondern auch Begleitung und teilweise die tägliche Präsens einer Fachkraft. In der Eberhardstraße und im Frauenunterstützungszentrum im Schleifmühlweg ist das gegeben. Dies wäre in Hotels oder Ferienwohnungen nicht zu leisten,.
    Tagsüber haben die Tagesstätten im Männerwohnheim und im Unterstützungszentrum für Frauen geöffnet. Auch Personen in den Notübernachtungen dürfen ihre Unterkünfte derzeit coronabedingt
    auch tagsüber nutzen. Die Stadt bemüht sich zusätzlich darum, dass ergänzende Angebote bzw. Aufenthaltsorte, z.B. das Eberhardscafe, wieder geöffnet werden können und sucht dafür auch ehrenamtliche Helferinnen und Helfer. Die Situation einer Großstadt wie Düsseldorf ist in keiner Weise mit der Situation in Tübingen zu vergleichen, weder was den Bedarf, noch was die Angebotsstrukturen anbetrifft. In Großstädten gibt es meist eine erhebliche Zahl Wohnungsloser, die auf der Straße leben.
  2. Gibt es die Möglichkeit, die Sanitäranlagen von ohnehin geschlossenen Schwimmbädern für von Wohnungslosigkeit betroffene Menschen zu öffnen (z.B. das Uhlandbad)?

    Antwort der Verwaltung:
    Die öffentlichen WCs sind geöffnet und nutzbar. Duschgelegenheiten sind nicht coronabedingt geschlossen, sie gibt es bei der Tagesstätte im Männerwohnheim und im Frauenunterstützungszentrum, in den Notübernachtungen für Männer und Frauen und im
    Kontaktladen Janus in der Kelternstraße. Eine Öffnung des Uhlandbads für Wohnungslose wäre mit sehr hohem Aufwand und Kosten verbunden und ist nicht geplant. Uns ist nicht bekannt, dass Wohnungslose das Uhlandbad zum Duschen genutzt haben, als es noch offen hatte.

  3. Mit „housing first“ werden in mehreren europäischen Ländern gute Ergebnisse bei der dauerhaften Bekämpfung von Wohnungslosigkeit erzielt, bei gleichzeitiger Senkung der Kosten (sichere, eigene Wohnung als erster Schritt, Therapie- und Unterstützungsangebote stehen jederzeit
    zur Verfügung, insbesondere nach dem Einzug in die eigene Wohnung). Welche Vorbedingungen gibt es in der Stadt Tübingen, um sich für eine eigene Wohnung zu qualifizieren?

    Antwort der Verwaltung:
    Das erfordert eine gründliche Auseinandersetzung, die Stadt wird sich damit befassen. In gewissem und eingeschränktem Sinne bedeutet aber die bereits praktizierte städtische Unterbringung, derzeit über 130 Wohnungen verteilt in der Stadt, einen solchen Ansatz. Der housing-first-Ansatz greift v.a.
    in großen Städten, in denen tatsächlich viele Menschen auf der Straße leben und übernachten, das ist in Tübingen nicht der Fall. Die Stadt wird das Konzept der Wohnungslosenhilfe gemeinsam mit dem Landkreis und den Trägern beraten und weiterentwickeln und sich dabei auch mit dem housing
    first-ansatz auseinandersetzen. Den Ansatz, Mitwohnungen ohne jegliche Voraussetzungen oder Regelungen zu vermitteln, sehen wir aber grundsätzlich kritisch, da es auch um eine Verträglichkeit
    mit der Nachbarschaft und dem Wohnumfeld geht. Es bedarf der flankierenden Beratung und Unterstützung, das ist entscheidend. Insgesamt und mit Blick auf den Landkreis haben wir in Tübingen eine vergleichsweise gute Hilfestruktur für Wohnungslose mit vielen abgestuften Wohn-
    und Hilfeangeboten für Frauen und Männer. Auch die Clearingstelle Wohnen hat bereits in einigen Fällen gezielt Mietwohnungen an Wohnungslose vermittelt, verbunden mit Abklärung der erforderlichen flankierenden Hilfe.